Das Thema Kooperationen zwischen Unternehmen und Bloggern wird immer wieder heiß diskutiert. Blogger Relations sind inzwischen ein wichtiger Faktor für beide Seiten geworden. Doch Vorsicht. Bei der Zusammenarbeit kann viel schief gehen. Unpersönliche Massenmails, die wild gestreut werden ohne Bezug auf den Blogger und sein Thema, sind nur einer der Fehler auf Unternehmens- und Agenturseite. Umgekehrt gibt es Blogger, die nur auf kostenlose Produkte aus sind oder umsonst reisen möchten. Das hier keine produktive Kooperation zustande kommt, ist klar. Beide Seiten haben viel zu verlieren. An allererster Stelle ihre Glaubwürdigkeit und Reputation.
Ich habe mich mit Anja Beckmann über das Thema unterhalten. Sie schreibt auf dem Reiseblog Travel on Toast und berät Unternehmen in den Bereichen Social Media, Blogs und Blogger Relations. Mit Anja habe ich selbst schon zusammengearbeitet und wir haben schnell festgestellt, dass wir auf einer Wellenlänge liegen. Nicht nur privat, sondern auch darin, wie wir die Zusammenarbeit aus Unternehmens- und Bloggersicht gestalten. Darum freue ich mich sehr, dass sie sich Zeit für unser Gespräch genommen hat.
Hallo Anja,
es gibt viele Blogger und Journalisten, die der Ansicht sind, dass ein Unterschied zwischen den beiden Gruppen besteht. Du bist beides. Wie ist siehst du die Diskussion?
Ich bin als Journalistin gestartet und blogge jetzt seit sieben Jahren. Ich habe also als Blogger einen journalistischen Hintergrund, den besitzen viele Bloggerkollegen nicht. Als Journalistin muss ich mich an den Redaktionsplan halten. Als Bloggerin bei www.travelontoast.de bin ich Verlegerin, Chefredakteurin und Anzeigenabteilung in einer Person. Hier kann ich Themen völlig frei setzen und entscheiden, wann ich über was schreibe.
Ich würde übrigens nie Pressemitteilungen oder -fotos veröffentlichen, sondern schreibe nur über eigene Erlebnisse. Denn ich trete als Person in den Vordergrund, die Leser interessieren meine persönlichen Erlebnisse und Empfehlungen. Ich berichte über mein Blog und über Social Media Kanäle wie Facebook, Twitter, Google+ und Instagram.
Als Journalistin werde ich vom Verlag bezahlt. Als Bloggerin verdiene ich Geld mit Advertorials (redaktionell gestalteten Anzeigen) und als Markenbotschafterin bei Kampagnen.
Unternehmen nehmen Blogger vermehrt als interessante Influencer und Multiplikatoren wahr. Dein Kunde erkennt das auch und möchte mit Bloggern zusammenarbeiten.
Was rätst du ihm und wie gehst du vor, wenn dein Kunde den Kontakt zu Bloggern aufnehmen möchte?
Wichtig finde ich, gezielt und nicht nach dem Gießkannenprinzip vorzugehen. 200 Blogger mit Pressemitteilungen zu bedenken, wird nicht zum gewünschten Erfolg führen. Im ersten Schritt lege ich bei einem Blogger-Relations-Konzept fest: Was sind die Ziele und Zielgruppen? Welche Themen und interessanten Produkte hat das Unternehmen? Welche Bloggerarten kommen infrage? Stark sind etwa Bereiche wie Reise, Food, Beauty, Fashion, Automobil oder Technik.
Dann suche ich für den Kunden nach den passenden Blogs. Oft können die Influencer übrigens auch YouTuber oder Instagrammer sein. Wichtig bei Blogs ist erst einmal, dass das Thema passt und dass der Blogger überhaupt mit Unternehmen kooperieren möchte. Dann schaue ich mir die Zahlen an, das ist für Unternehmen wichtig. Ich bin immer sehr dankbar, wenn Blogger Mediakits auf ihren Blogs öffentlich zur Verfügung stellen. So kann ich mir etwa anschauen, wie das Leserprofil aussieht (z. B. Geschlecht, Alter und Land) und wie viele monatliche Leser (Unique Visitors) das Blog hat. Auch die Anzahl der Kontakte über die verschiedenen Social-Media-Kanäle ist relevant. Insgesamt zählt das Gesamtbild, in das Faktoren wie Design, ansprechende Texte, Fotos und Videos einfließen.
Sowohl als Blogger als auch Blogger-Relations-Beraterin ist es für mich toll, wenn es nicht bei einer einmaligen Zusammenarbeit bleibt. Ist sie nämlich erstmal eingespielt, bringen Blogger Relations dauerhaft Vorteile für beide Seiten.
Du berätst Unternehmen und Organisationen zum Thema Social Media, Blogs und Blogger Relations. Besonders Letzteres ist immer wieder Thema.
Nicht jeder Blogger ist glücklich über die Ansprache und über Kooperationswünsche seitens der Organisationen und Agenturen. Gleichzeitig wundern sich auch die Unternehmen über die Ansprüche von Bloggern.
Was ist deine Empfehlung für eine kooperative Zusammenarbeit?
Für Unternehmen: Kenne die für dich relevanten Blogs. Wenn ein Blogger nicht mit Unternehmen kooperieren möchte, schreibt er das oft im „About“- oder „Über mich“-Bereich. Leider machen viele Blogger schlechte Erfahrungen mit Unternehmen, die Dofollow-Links kaufen möchten oder für einen geringen Einsatz (z. B. eine Produktprobe im Wert von wenigen Euro) eine ausführliche Berichterstattung haben möchten.
Ich setze z. B. alle Links in Advertorials auf Nofollow (sie werden so nicht für das Google-Ranking gewertet, wie es Googles Richtlinien für Webmaster vorsehen) und kennzeichne sie als gesponserten Beitrag. Denn ich bin Mitglied des Reiseblogger-Kodex und halte mich natürlich auch an die Gesetze. Trotzdem kommen immer wieder Anfragen, ob ich Dofollow-Links setzen und auf die Kennzeichnung verzichten könne. Diese Mails lösche ich unbeantwortet. Genauso wie übrigens die vielen, vielen Pressemitteilungen, die ich bekomme, ohne vorher gefragt worden zu sein, ob ich auf den Verteiler möchte.
Auf der anderen Seite gibt es zunehmend Unternehmen und Agenturen, die mit passenden Anfragen und fairen Konditionen auf mich zukommen. Für sie ist es hilfreich, die passenden Blogs zu kennen und vielleicht sogar schon einen persönlichen Kontakt zu dem Blogger aufgebaut zu haben. Blogkommentare von Unternehmen mag ich nicht gerne, auch wenn einige dazu raten. Auf Messen und Kongressen wie der ITB oder TBEX komme ich mit PR-Leuten in Kontakt, auch über Facebook oder Twitter. Oft spreche ich sie selbst an, wenn ich mich z. B. für ein bestimmtes Reiseziel interessiere.
Für Unternehmen gehe ich auf Blogger zu. Die erste E-Mail enthält die Vorstellung des Unternehmens, was es von dem Blogger möchte und was es dafür bieten kann. Dann liegen die Karten auf dem Tisch und der Blogger kann entscheiden, ob er das Angebot annehmen möchte. Was viele unterschätzen: Es geht nicht nur darum, die richtigen Blogs zu kennen und einen persönlichen Kontakt zum Blogger hergestellt zu haben. Auch muss das Kooperationsangebot stimmen. Denn manche möchten nicht nur Produktproben erhalten oder zu Events eingeladen werden. Während einige das Blog neben ihrem Brotberuf unentgeltlich führen, verdienen andere (dazu gehöre ich auch) damit ihren Lebensunterhalt. Und dann benötigen sie eine angemessene Bezahlung für Advertorials oder Kampagnen.
Deine Empfehlung zum Schluss. Was bedeuten Blogger Relations für dich und welchen abschließenden Tipp gibst du Bloggern und Agenturen bzw. Unternehmen im Umgang miteinander?
Je besser ihr euch kennt und einander versteht, umso besser klappt die Zusammenarbeit. Unternehmen und Agenturen sollten die für sie relevanten Blogs kennen und eine Beziehung zu den jeweiligen Bloggern aufbauen.
Für Blogger-Relations-Maßnahmen finde ich es hilfreich, wenn Blogger professionell agieren: Wenn sie ein Mediakit auf ihrem Blog haben, schnell auf E-Mails reagieren, mit mir gemeinsam den Umfang der Kooperation festlegen und sich an Absprachen halten. Auch ist es schön, wenn sie verstehen, wie Unternehmen arbeiten – denn da geht es darum, was mit dem eingesetzten Budget erreicht wurde. Mein Tipp für Blogger: Schickt deshalb Links oder Auswertungen zu Artikeln an eure PR-Ansprechpartner, sie können damit den Erfolg ihrer Arbeit belegen. Und das hilft wiederum, Blogger Relations im Unternehmen zu etablieren und ein entsprechendes Budget zu erlangen.
Mein Fazit
Das Gespräch mit Anja macht meiner Meinung nach deutlich, wie Blogger durch Unternehmen und Agenturen angesprochen werden wollen: persönlich und transparent.
Grundsätzlich habe ich Blogger immer als Geschäftspartner gesehen, wenn ich eine Kooperation eingehen wollte. Da ist es wichtig, deutlich zu machen, um was es in der Zusammenarbeit gehen soll und welcher Art und Höhe die Vergütung sein soll. Meine Empfehlung an meine Kollegen aus den Agenturen, dem Marketing oder der Unternehmenskommunikation: Bitte seht davon ab einen billigen Linkaustausch, Gutschein oder einen lächerlich geringen Geldbetrag anzubieten. Blogger bieten die Zielgruppe, die man woanders teuer zusammensuchen müsste.
Neben ihrer Glaubwürdigkeit bieten sie eine zielgruppenzentrierte Reichweite, die mit anderen Werbemitteln nur in Verbindung mit einem hohen Streuverlust zu erreichen ist. Dazu kommt: Ein schlechter Stil spricht sich rum. Schon jetzt gibt es genug Facebookgruppen, in denen sich Blogger über verschiedene Firmen und ihre Kooperationsangebote austauschen, um sich gegenseitig zu warnen.
Darum mein Tipp: Auch ihr haben einen Ruf zu verlieren. Gute Kooperationen werden geschätzt und auch weiter empfohlen. Kooperationen, die so zustanden kommen haben hervorragende Chancen auf eine langfristige und positive Zusammenarbeit die zum gewünschten Ergebnis führen.
Und jetzt seid ihr gefragt: Welche Erfahrungen habt ihr mit Blogger Relations gemacht? Wie möchtet ihr am liebsten angesprochen werden und was erwartet ihr von einer guten Zusammenarbeit. Was sind eure No-Gos bei einer Kooperation?
Anja Beckmann hat schon verschiedene Berufe ausgeübt: Während des Studiums arbeitete sie als freie Journalistin. Nach dem PR-Volontariat bei der Agentur fischerAppelt war sie Pressesprecherin bei Kraft Foods/Mondelez (z. B. Jacobs, Milka, Philadelphia) und Starbucks. Sie nahm sich eine Auszeit und ging für ein Jahr auf Weltreise, damals startete sie mit dem Reisebloggen. Inzwischen ist sie seit fünf Jahren selbstständig als Berater für Social Media, Blogs und Blogger Relations. Ihr Blog Travel on Toast ist eins der führenden Reiseblogs Deutschlands, sie arbeitet mit einem Team von sechs Autoren. Sie hat mit ihrem Reiseblog namhafte Kooperationspartner und führt auf der anderen Seite Blogger Relations Maßnahmen für Kunden durch – darunter waren bisher etwa Tourismus Flandern-Brüssel, yourfone.de oder der Gebäckhersteller Lambertz.
Bild: Anja Beckmann und Viktor Hanacek picjumbo.com
Diesen Zusatz führe ich aus rechtlichen Gründen an: Apple, the Apple logo and iPhone are trademarks of Apple Inc., registered in the U.S. and other countries.
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Deine Frage interessiert mich auch: Wie möchten Blogger von Unternehmen behandelt werden? 🙂
Hi Evy,
die Frage gebe ich gerne an dich zurück. Wie möchtest du von Unternehmen behandelt werden?
Sehr schönes, interessantes Interview!
Ich denke dieses Thema wird uns Bloggern bzw. uns Unternehmen noch lange begleiten. Eine „So geht es und nicht anders“-Anleitung wird es hier wohl niemals geben, da die Vorstellungen auf beiden Seiten – also bei Bloggern und Unternehmen – extrem unterschiedlich ist. Meiner Meinung nach sollten hier die Unternehmen den ersten Schritt machen und Blogger als Markenbotschafter wahrnehmen und nicht, wie Daniela schreibt, als „billige Werbeträger“. Wenn die Unternehmen die Blogger mit größerem Respekt behandeln würden, wären die Blogger bei manchen Kooperationsangeboten vielleicht auch etwas entspannter 😉
Viele Grüße, Katharina
Hi Katharina,
vielen Dank 🙂 Ich gebe dir da fast uneingeschränkt recht. Meines Erachtens ist es auch wichtig, dass viele Blogger nicht jedes Angebot annehmen nach dem Motto „Hauptsache umsonst“. Das hat auch Einfluss auf das Verhalten von Unternehmen, denn sie merken ja, wenn es funktioniert. Stichpunkt: Frage 100 Blogger, einer wird schon „Ja“ sagen. Und dazu kommt, dass die Zusammenarbeit miteinander noch recht jung ist. In den USA wird es schon eher als ein echtes Business gesehen. Darum muss jeder Blogger für sich raus finden, was ihm seine eigene Arbeit/Plattform wert ist, sich hier mit anderen beraten und dann auch Stellung beziehen. Je mehr Blogger diesen Weg gehen, desto eher findet bei Agenturen und Unternehmen u.U. ein Umdenke statt.
Viele Grüße
Daniela
Ich habe gute und schlechte Erfahrungen gesammelt. Als Neuling kennt man sich nicht gut aus und macht vielleicht den einen oder anderen Fehler. Auch wenn es für viele (darunter zähle ich auch mich) ein Hobby ist und man einen Hauptberuf hat, investiert man sehr viel Arbeit und Liebe in die Beiträge. Für ein 2,50 Euro Produkt einen langen Text inkl. Fotos und Bannerplatzierung würde ich keinen Beitrag schreiben, auch wenn das Produkt vielleicht sogar gut ist… Ich denke, dass besonders kleine Blogs und/oder neue Blogs von Unternehmen „ausgenutzt“ werden…
Hallo Saskia,
danke für deine Meinung! Ich denke, es kommt darauf an, ob man sich „ausnutzen“ lässt. Das es Agenturen probieren darf man ihnen wahrscheinlich nicht übel nehmen. Wir wollen ja alle Geld „sparen“ 😉 Was ich allerdings nicht richtig finde ist, wenn Blogger als billige Werbeträger gesehen und behandelt werden. Das Problem ist m.E. das es genug Blogger gibt, die das mitmachen, um irgendwas umsonst zu erhalten. Darum bin ich froh, dass sich immer mehr Blogger untereinander austauschen und sich beraten, wie mit Kooperationsanfragen umzugehen ist.
Viele Grüße
Daniela